Triggerwarnungen kennen wir von Filmen und Serien. Es sind diese diskreten Hinweise darauf, dass der Film nicht für sensible Menschen geeignet ist, weil beispielsweise Gewalt gezeigt wird. Seit einigen Jahren finden sich auch in Romanen vermehrt Triggerwarnungen oder treffender: Content Notes. Mal stehen sie gleich am Anfang des Buches. Mal gibt es einen Hinweis, dass die Triggerwarnung am Ende zu finden ist. Auch auf den Verkaufsplattformen stolpert man gelegentlich über die Warnhinweise. Zu Recht? Oder ist das nur eine Modeerscheinung, wie Farbschnitte und Overlays? Und als Autorin stelle ich mir natürlich die Frage: Brauche ich das jetzt auch?
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Trauma?
Ein Trauma ist ein plötzliches und unerwartetes Ereignis, das gefährlich oder sogar lebensbedrohlich ist. Laut Kriterien handelt es sich um eine plötzliche, akute und nicht vorhersehbare Situation. Eine langwierige Krankheit zählt demnach nicht als Trauma.
Solche Situationen werden mit großer Hilflosigkeit und Angst erlebt. Die Menschen verlieren die Kontrolle über das, was mit ihnen geschieht. Unser Gehirn schaltet dann in den Autopiloten. Hirnareale, die für das logische und bewusste Denken verantwortlich sind, werden weitgehend abgeschaltet. Es würde einfach zu lange dauern, wenn wir in der Situation der Gefährdung zu viel nachdenken.
Stattdessen übernimmt der älteste Teil des menschlichen Gehirns, der Hirnstamm. Er reguliert normalerweise die lebenswichtigen Funktionen wie Atmung, Herzschlag, Nahrungsaufnahme und Darmtätigkeit. Bei Bedrohung wird die Atmung und der Herzschlag beschleunigt, mehr Blut wird in die Muskeln gepumpt, alle Sinne konzentrieren sich auf die Gefahr. Eine sinnvolle Sache für den Steinzeitmenschen, wenn er sich plötzlich einem Säbelzahntiger gegenübersah. Kämpfen oder flüchten: Eine Entscheidung, die in Sekundenbruchteilen gefällt wird.
Diese Entscheidung wird nicht bewusst getroffen und daher können Menschen im Rückblick manchmal nicht erklären, warum sie z. B. nicht um Hilfe gerufen haben. Das Gehirn greift auf automatische Verhaltensweisen zurück, die wir tief abgespeichert haben. Weil unser Gehirn überfordert ist, kommt es oft zu Erinnerungslücken, die unterschiedlich groß sein können.
Diese Erinnerungslücken sind der entscheidende Punkt, weshalb ein Reiz zum Trigger werden kann. Denn unser Gehirn nimmt Reize wie Geräusche, Gerüche, Farben oder unsere eigenen körperlichen Reaktionen wie den Herzschlag oder Schwitzen auch wahr, wenn wir sie nicht bewusst erleben. So wird das Parfum oder das Geräusch zum Trigger und katapultiert das Opfer zurück – das traumatische Erlebnis wird erneut durchlebt.
Wichtig: Nicht jeder, der ein Trauma erlebt hat, ist danach traumatisiert.
Was sind Trigger?
Trigger bedeutet Auslöser. In der Psychologie bezieht er sich also auf Dinge, die Erinnerungen an traumatische Erlebnisse auslösen können.
Ein nicht verarbeitetes Trauma wird im Gehirn anders abgespeichert, wodurch der Mensch keinen bewussten Zugang zu dem Erlebnis hat. Durch einen Schlüsselreiz kann diese Sperre aufgebrochen werden und das traumatische Erlebnis wird erneut durchlebt. Die betroffene Person hat dabei ein durch den Trigger ausgelöstes plötzliches, intensives Wiedererleben eines vergangenen Erlebnisses. Dabei sind die Erlebnisse so stark, dass die Person nicht mehr erkennen kann, dass es sich um eine Erinnerung handelt. Sie erlebt das Ereignis noch einmal.
Wenn man weiß, was der Trigger ist, ist es kein Trigger mehr, denn die Prozesse laufen ja unbewusst ab. Betroffene lernen erst in einer Psychotherapie, was die Auslöser für ihre Ängste sind und den Umgang damit.
Der Begriff Triggerwarnung ist daher eigentlich missverständlich, denn eine Warnung kann nur dann sinnvoll sein, wenn die betroffene Person das auch richtig einordnen kann. Es zeigt aber auch, dass es nicht sinnvoll ist, vor allen möglichen Triggern zu warnen.
Sind Triggerwarnungen dann überhaupt sinnvoll?
Wenn Hinweise auf mögliche, belastende Themen ernsthaft verwendet werden, können sie aber Betroffene schützen, damit sie nicht unvermittelt mit einer Information konfrontiert werden, die ungute Gefühle wieder aufkommen lässt. Das funktioniert natürlich auch nur, wenn die traumatisierte Person sich bereits mit ihrem Trauma beschäftigt hat und weiß, worauf sie reagiert. Eine Warnung sollte konkret vor gravierenden Darstellungen schützen. Es macht wenig Sinn, eine schier endlose Liste in Bücher einzufügen, weil eventuell jemand darauf reagieren könnte. Letztlich kann eine bestimme Parfummarke genauso als Trigger fungieren wie die Thematisierung von Kindesmissbrauch.
Es gibt aber auch Studien, die negative Auswirkungen von Triggerwarnungen aufzeigen. So kann es passieren, dass Menschen mit einer PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) durch Triggerwarnungen ihr Trauma als zentralen Bestandteil ihrer Persönlichkeit wahrnehmen. Allein das Lesen der Content Note kann in den Betroffenen Ängste auslösen.
Des Weiteren könnten solche Hinweise auch bei nicht vorbelasteten Menschen zu Unwohlsein beim Lesen führen. Triggerwarnungen könnten als selbsterfüllende Prophezeiung wirken. Hinzu kommt, dass Warnhinweise eine abschreckende Wirkung haben und sensible Personen sich möglicherweise nicht mehr an herausfordernde Inhalte heranwagen.
Warnhinweise geben nicht selten Hinweise, die die Geschichte spoilern. Sie fungieren wie eine Art Inhaltsverzeichnis.
Mögliche Trigger
Mögliche Themen können sein:
- explizite Gewaltdarstellung
- seelische Gewalt
- Kindesmissbrauch
- Essstörung
- Suizid
- Depression
- psychische Erkrankungen
- Misshandlung
- Sex
- Drogenmissbrauch
- Tierquälerei
- Sadismus
- Folter
- Krieg
- Süchte (Alkohol, Drogen, Essen, Zwänge)
- Rassismus
- Sexismus
- Homophobie
- Mobbing
- Bodyshaming
- Tod
- Krankheit
- Reize, die Ekel auslösen können
Persönliches Fazit
Menschen mit PTBS müssen Unterstützung und psychotherapeutische Behandlung erhalten. Mit einer Content Note ist ihnen nicht geholfen. Neben der Aufarbeitung des Traumas können gemeinsam mit dem Therapeuten Möglichkeiten erarbeitet werden, wie zukünftig mit der Thematisierung in Filmen und Büchern umgegangen werden kann. Daher richten sich meine Überlegungen an sensible Personen, die durch bestimmte Themen ein starkes Unwohlsein verspüren können.
Menschen leben in Gemeinschaften und sind ständig Reizen aus ihrer Umgebung ausgesetzt. In unserer globalisierten und pluralistischen Welt ist es nicht möglich, sich selbst und andere vor sämtlichen schädlichen Einflüssen zu schützen. Es ist eine Illusion, dass wir Menschen vor Retraumatisierung schützen könnten – im Buch, im Internet und auch im echten Leben. Was für einen Menschen zum psychischen Trauma oder zum Trigger wird, kann niemand voraussagen.
Jeder und jede von uns kann im ganz normalen Alltag plötzlich mit unverarbeiteten Ängsten konfrontiert werden, einen Unfall mit ansehen oder überfallen werden. Davor können wir uns leider kaum schützen.
Mit der Warnung allein macht man es sich zu einfach. Wichtig ist es, Menschen mit belastenden Themen nicht allein zu lassen. Unsinnig sind ebenfalls Triggerwarnungen bei alltäglichen Situationen wie Spinnen und Spritzen. Hier werden die Grenzen zwischen Trauma und dem normalen Leben verwischt. Hilfreich sind konkrete Hinweise im Klappentext und die richtige Einsortierung im Genre.
Wenn ich einen Krimi oder Thriller lese, muss ich davon ausgehen, dass Gewalt darin vorkommt. Lese ich eine Rockstarromance, gehe ich fast automatisch davon aus, dass der Konsum von Drogen und Alkohol thematisiert wird. Hier fängt meiner Meinung nach die Verantwortung des mündigen Konsumenten an, sich vor dem Kauf zu informieren. Deshalb finde ich es wichtig, Bücher dem richtigen Genre zuzuordnen.
Im großen Genre der Liebesromane ist es schwierig, den Überblick zu behalten und einwandfreie Zuordnungen vorzunehmen. Die Nebenthemen können sehr vielschichtig sein und die Subgenres sind breit gefächert. Von seichten Liebesromanen bis zu Dark Romance mit Gewaltfantasien ist alles möglich. Als Autorin habe ich mich bewusst gegen die Darstellung von romantisierter Gewalt entschieden. Warum, das kannst du in diesem Blogbeitrag nachlesen.
Trotzdem kann ich nicht ausschließen, dass einige Menschen durch Themen in meinen Büchern auf negative Art und Weise beeinflusst werden. In ‚Das Glück kommt auf drei Pfoten‚ werden Tod und Krankheit thematisiert und ich habe lange überlegt, ob ich eine Content Note in das Buch einfüge. Letztlich habe ich mich dagegen entschieden und Hinweise bereits in den Klappentext gesetzt. Wir können uns im Leben nicht vor allem schützen. In Geschichten geht es um Fiktion. Geschichten brauchen Konflikte, sonst sind es bestenfalls äußerst langweilige Texte.
Wie kann man sich als Leser oder Leserin trotzdem schützen? Indem man den Klappentext aufmerksam liest. Auch in Rezensionen finden sich oft Hinweise auf die behandelten Thematiken und darauf, wie intensiv sie von den Rezensenten empfunden wurden.
Es gibt Tage, an denen man besser mit schwierigen Themen umgehen kann als an anderen. Ein Buch kann man jederzeit zuklappen. Auch ich habe das schon getan. Auch ich habe Bücher abgebrochen, weil die behandelten Themen zu heftig beschrieben wurden und in mir etwas ausgelöst haben, womit ich zu diesem Zeitpunkt nicht umgehen konnte. Allerdings sollte man sich auch bewusst machen, dass das Problem dann in einem selbst zu suchen ist.
Eine unbeantwortete Frage bleibt: Reicht die bloße Erwähnung eines problematischen Themas aus, damit eine Content Note gesetzt werden sollte? Es macht eben einen Unterschied, ob in einem Buch der Suizid einer Nebenfigur erwähnt wird oder ob er detailreich beschrieben wird, sodass die Lesenden unmittelbar daran beteiligt werden. Wenn diese Frage geklärt ist, werde ich vielleicht doch Content Notes hinzufügen, denn ich möchte wirklich niemanden verletzen.
Herzlich Deine