Verteile hier ein paar Herzchen, dort ein paar Sterne – und am Ende jeden Buches die Bitte, doch eine Rezension zu verfassen. Autor:innen kämpfen um Aufmerksamkeit in einem längst unüberschaubaren Markt. Tägliche Neuerscheinungen, Videos auf Social Media rund um den neuesten Hype auf dem Buchmarkt, kostenlose Bloggerexemplare – bitte nur als Print, besser gleich die große Box mit viel Schnickschnack drumherum. Denn seien wir ehrlich: Die wenigsten „normalen“ Leser:innen haben Lust, zusätzlich noch eine Bewertung zu schreiben. Ich finde, das alles falsch!
Inhaltsverzeichnis
Das Bewertungssystem bei Amazon & Co.
In meiner Schreibgruppe erzählte neulich eine Autorin, dass sie ihre erste 1–Sterne–Bewertung bekommen hatte. Keine Rezension. Nein. Einfach nur einen Stern – die schlechteste Bewertung, die möglich ist. Etwas selbstironisch hat sie sich beglückwünscht, es nun wohl geschafft zu haben.
Und neben Zuspruch kam eine Diskussion darüber auf, ob man so etwas überhaupt ernst nehmen sollte. Als Schreibende konnte sie schon mal nichts darauf mitnehmen, was ihr irgendwie geholfen hätte.
Doch werfen wir zuerst einen Blick auf das Bewertungssystem von Amazon. Es ist eng mit dem Algorithmus verknüpft, der letztlich entscheidet, welche Bücher dir angezeigt werden, wenn du zum Beispiel „cozy Weihnachtsroman“ in der Suchleiste eingibst. Amazon hat ein berechtigtes Interesse daran, Kund:innen zufrieden zu stellen, und möchte dir Bücher vorschlagen, die dir hoffentlich Freude bereiten.
Doch woran macht Amazon das fest? Die genauen Kriterien bleiben ein Geschäftsgeheimnis, aber es hat viel mit dem Ranking (also dem Verkaufsrang) zu tun. Bücher, die oft gekauft werden, müssen ja gut sein – und die, die durchweg gute Bewertungen haben, sowieso. Das eine bedingt also auch das andere. Fällt ein Buch unter eine Durchschnittsbewertung von 4,0 Sternen, verliert es schnell an Sichtbarkeit. Zähe Verkäufe führen zu noch weniger Sichtbarkeit. Ähnlich funktioniert es vermutlich auch bei anderen Verkaufsplattformen wie Thalia und Co. Aber auch Communitys wie Reado nutzen Sterne und Punkte – wobei mir hier nun wirklich nicht klar ist, wozu dieses System dort dienen soll.

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Die Tücken des Bewertungssystems
Ein gutes Produkt bekommt auf Amazon 4 oder 5 Sterne. Gerade umgekehrt als Schulnoten, und man müsste meinen, dass die User das wüssten. Irgendwo hatte ich von Amazon selbst mal eine Übersetzungshilfe für die Punktevergabe gesehen, aber zum Zeitpunkt, an dem ich diesen Beitrag schreibe, finde ich es nicht mehr.
Doch dem ist nicht so, wie manche Rezensionen zeigen. Da gibt es 1–Sterne–Rezensionen und im Text wird das Buch durchweg gelobt. Gut also, wenn bei der 1–Sterne–Bewertung noch ein Text steht, doch die meisten der 1–oder 2–Sterne–Bewertungen kommen ohne Text daher. Und das ist eben schwierig, denn niemand weiß, was denn nun dazu geführt hat.
Ist das Buch schlecht? Hat es gewisse Erwartungen nicht erfüllt, und wenn ja, welche? Oder war es einfach nur ein Missverständnis und jemand wollte besonders gut bewerten?
Absprachen
Noch eine Unart ist die Beobachtung, dass anscheinend einigen Autor:innen gezielt schlechte Bewertungen „gedrückt“ werden. Neid und Missgunst spielen hier vermutlich eine Rolle, denn oft tauchen diese gefürchteten 1-Sterne–Bewertung kurz nach der Veröffentlichung auf, oder wenn das Ranking plötzlich steigt. Auch kurz vor dem Erreichen der Top 10 hagelt es oft negative Bewertungen. Und dann passiert genau das: Der Algorithmus zeigt das vermeintlich schlechte Buch seltener an, es wird ergo weniger gekauft und das Ranking sinkt – oder steigt nicht in dem Maße wie erwartet – was wiederum zu weniger Sichtbarkeit und Verkäufen führt.
Es soll sogar Gruppen geben, die sich gezielt für schlechte Bewertungen verabreden. Kaum zu glauben! Kurz nach der Frankfurter Buchmesse 2025 flog eine Chatgruppe auf, in der sich Schreibende und Bloggende verabredet haben, um gezielt Autor:innen zu schaden.
Schlechte Bewertungen führen also zu finanziellen Verlusten! Das kann sehr bekannten Autor:innen bis zu einem gewissen Grad vermutlich egal sein und die Kontroverse kann ja durchaus auch das Geschäft beleben. Die meisten kleineren Autor:innen können so einen Schlag jedoch nicht so gut verkraften.
Daraus ergibt sich auch, dass ein schlechter Zustellservice oder eine kaputte Verpackung nicht in die Bewertung einfließen sollten, denn was kann der Autor dafür, dass das Paket auf dem Weg zu dir einen Schleudergang in der Waschmaschine hinter sich gebracht hat.
Sind Schreibende kritikunfähig?
Gelegentlich ist der Vorwurf zu hören, dass Schreibende kritikunfähig wären. Ich glaube, dass dies an einem grundlegenden Missverständnis liegt. Bewertungssysteme und Rezensionen sind in erster Linie für die Lesenden da. Sie sollen dazu beitragen, eine Kaufentscheidung zu treffen. Wenn in einer Rezension steht, dass jemand das Buch zu spirituell, zu kitschig, zu was auch immer fand, dann könnte das für mich genau den entscheidenden Ausschlag geben, das Buch zu kaufen. Weil ich genau das suche.
Eine Rezension ist nicht dafür da, dass Schreibende daraufhin ihre Bücher verbessern. Natürlich kann man darüber nachdenken, aber grundsätzlich ist das Buch geschrieben und fertig. Es ist durch einen aufwendigen Schreib- und Überarbeitungsprozess gegangen und Schreibende haben sich einer ganzen Menge an Kritik gestellt. Von Lektorierenden, von Agent:innen, von Testlesenden.
Ich empfinde konstruktive Kritik positiv. Aber eine reine Punktebewertung halte ich für schlichtweg unangemessen.
Autsch! Das tut weh.
Hinter jedem Buch steht ein Mensch, der oder die Monate, oft sogar Jahre, investiert hat. Dahinter stehen persönliche Geschichten, Opfer, Hoffnungen, Träume, Zeit und Geld. Was du in den Händen hältst und mit einem „XY kann keine Enden“ oder „der größte Mist, den ich je gelesen habe“ abtust, ist ein Stück der Persönlichkeit eines Menschen, die in dieses Werk geflossen ist.
Tatsächlich habe ich jahrelang nicht veröffentlicht und mich am Ende für ein Pseudonym entschieden, weil ich genau vor solch harscher Kritik Angst hatte. Ich wusste, ich hätte Probleme gehabt, damit umzugehen. Inzwischen habe ich auch das gelernt, aber du weißt nie, wer da am anderen Ende ist. Wie es den oder diejenige trifft, und manchmal sollte man vielleicht auch einfach schweigen, wenn man nichts Nettes zu sagen hat.
Ja, wenn man in die Öffentlichkeit tritt, muss man sich in gewisser Weise ein dickes Fell zulegen. Es wird nicht jedem gefallen, was man tut, schreibt und auf Social Media postet. Aber ich finde, dass der Ton teilweise recht harsch geworden ist, und Künstler – nun ja, oft sind sie eben doch ein wenig sensibler. Haben offene Kanäle und nehmen anders wahr – intensiver. Das ist nicht generell so und natürlich gibt es auch Schreibende mit einer verdammt harten Schale.
Der Verriss
Persönlich bin ich ja der Auffassung, wenn ich eine schlechte Bewertung schreibe oder in Form von Punkten vergebe, dann bin ich echt sauer. Dann habe ich ein nicht funktionsfähiges Produkt erhalten. Ich habe Ärger mit der Rückgabe oder habe gar Geld verloren. Und davor möchte ich dann andere warnen. Warum ich jemandem vor einem Buch warnen sollte, ist mir nun nicht wirklich klar, denn Geschmäcker sind ja zum Glück verschieden. Aber da kann man natürlich anderer Auffassung sein.
Neulich habe ich ein Reel einer Bloggerin auf Instagram gesehen. Sie hielt verschiedene Buchcover in die Kamera und sagte jedes Mal: „Mach das nicht!“ Zunächst ging es um eine Fantasy-Reihe, die ihr optisch wohl nicht gefiel. Dann waren es Bücher mit sehr ähnlichen Ornament-Covern und daher wie eine Reihe wirkten, die aber gar nicht zusammengehörten. Das Argument konnte ich noch nachvollziehen. Zuletzt folgten Cover mit nackten Männern darauf, von denen sie sich belästigt fühlte.
In den Kommentaren erklärten Coverdesigner:innen daraufhin, dass genau solche Motive sich schlicht am besten verkaufen und manche Bücher aufgrund eines individuelleren, aber marktuntauglichen Covers bereits umdesignt werden mussten. Jemand schrieb sinngemäß, dass sie die Bücher ja nicht kaufen müsse, wenn sie ihr nicht gefielen. Darauf fühlte sich die Bloggerin offenbar angegriffen und entgegnete, niemand müsse schließlich ihr Reel ansehen.
Der Ton macht die Musik. Klicks auf Kosten anderer.
Natürlich geht es in solchen Beiträgen letztlich um Klicks und Aufmerksamkeit – und die hatte sie definitiv. Aufmerksamkeit bekommt man auch, wenn man ein Buch oder gleich den Autor in einem Reel öffentlich zerreißt.
Der Ton macht die Musik. Niemand muss Cover oder Inhalte mögen. Geschmäcker sind verschieden. Auch mich sprechen gewisse Trends – Pastellrosa, überbordende Ornamente oder rein „hübsche“ Cover mit Knallfarben – oft nicht an, weil sie bei mir keine Assoziation zur Geschichte wecken und weil ich mir Titel und Autorennamen nicht merken kann. Aber das ist meine ganz persönliche Wahrnehmung, und ich würde niemals jemandem sagen wollen: „Mach das nicht.“ Vor allem, weil viele Verlagsautor:innen beim Cover ohnehin kein Mitspracherecht haben.
Das Buch als Produkt
Natürlich ist ein Buch ein Produkt, in dem Moment, in dem es veröffentlicht wurde, und natürlich haben Kunden das Recht auf eine ordentliche Ware. Und Ware kann bewertet werden. Ich finde das bei bestimmten Produkten sogar gut und lese mir die Bewertungen durch, bevor ich teuren Elektroschott anschaffe. Aber vergleichen wir ein Buch doch mal mit einem Staubsauger.
Staubsauger: Er muss funktionieren, saugen, haltbar sein und wenig Strom verbrauchen. Tut er das nicht, gibt es zurecht Punkteabzug.
Buch: Es gibt wenige objektive Maßstäbe. Ein Buch bietet Unterhaltung, eine Geschichte, ein paar Stunden Zeit für Leser:innen. Ob die Geschichte fesselt oder nicht, ist subjektiv – und hängt nicht allein vom Werk ab.
Also, wann ziehst du jetzt Punkte ab? Weil es nicht so spannend war? Nicht so lustig? In der Mitte hast du dich gelangweilt und überhaupt?
10 Rechtschreibfehler, die dir die Fußnägel aufrollen? Passiert. Ich finde es gelegentlich dann doch erstaunlich, mit welchen Ansprüchen an ein Produkt gegangen wird, für das oft noch 5 Euro zu viel sind.
Subjektivität vs. Qualität
Glaub mir, ich hatte das auch alles schon und natürlich springt der Funke manchmal nicht über und es gibt Bücher, die berühren mich, während andere so nebenbei plätschern. Aber kann man dafür wirklich Punkte abziehen? Ich habe mich durch viele gefeierte Bücher gequält oder habe sie abgebrochen, weil ich einfach nichts damit anfangen konnte.
Ich habe unbekannte Bücher gelesen und sie geliebt. Ich habe Bücher zurück ins Regal gestellt, weil ich einfach nicht reinkam, nur um sie Jahre später begeistert zu verschlingen. Manchmal ist es einfach nicht der richtige Zeitpunkt für mich und dieses Buch, dieses Thema, diesen einen Erzählstil. Aber dafür kann das Buch als Produkt nichts und deswegen ist es nicht schlecht.
Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass jedes Buch seine Leserschaft hat, und wenn mir ein Buch nicht gefällt, liegt es vielleicht schlicht und ergreifend an mir.
Was ich mir inzwischen angewöhnt habe: Fast immer greife ich zuerst zur Leseprobe. Das schützt vor Enttäuschungen. Denn manchmal sieht das Cover eben toll aus, der Klappentext klingt vielversprechend, und dann springt der Funke eben doch nicht über.
Und trotzdem bitte ich dich um deine ehrliche Meinung
Jetzt mag bei dir der Gedanke aufkommen: „Ja klar, sagt sie das. Natürlich will sie nur gute Rezensionen. Schließlich ist sie Autorin.“ Das ist natürlich auch eine Wahrheit. Selbstverständlich möchte will ich, dass meine Leserinnen mir rückmelden, dass ihnen meine Geschichten gefallen. Warum sonst sollte ich mir die ganze Arbeit machen?
Aber ich habe auch schon Feedback bekommen, in dem es hieß, das Ende wäre zu schnell gekommen. Eine andere Leserin mochte es nicht, dass sich Hanna und Daniel sehr schnell ineinander verliebt haben. Das ist tolles Feedback, denn damit kann ich etwas anfangen. Ich kann zukünftig darauf achten, wie die Romanenden gestrickt sind. Ich kann auch überlegen, warum ich mich für die Liebe auf den ersten Blick entschieden habe und ob ich das noch mal so schreiben möchte, oder ob ich etwas anderes ausprobieren will.
Aus positivem Feedback kann ich mitnehmen, was gut funktioniert. Ist die Stimmung rübergekommen? War jemand berührt, bewegt? Hat eine Geschichte zum Nachdenken angeregt? Auch das ist wichtig für mich.
Ja, auch wenn es vielleicht weh tut, brauchen Schreibende Feedback von den Lesenden. Und auch wenn ich das Bewertungssystem in Form von Schulnoten, Punkten, Sternen oder was auch immer für grundlegend falsch halte, können wir Autor:innen nicht daraus ausbrechen. Wir sind auf Bewertungen und Rezensionen angewiesen, weil unsere Bücher, die Geschichten, die wir mit euch teilen möchten, ansonsten schlicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.
Wertschätzender Austausch
Der Austausch über Bücher und über Geschichten ist ganz wunderbar. Darüber zu sprechen, welche Figuren ich mag oder auch nicht und welcher Kniff der Autorin völlig überraschend kam. Welches Ende unbefriedigt zurückgelassen hat oder auch äußern zu dürfen, wenn man mit einem Buch nicht warm geworden ist. Schräge Theorien aufzustellen und auf der nächsten Seite zu verwerfen und ja, auch Bücher zu empfehlen, die mir gefallen haben oder von denen ich glaube, dass sie dir oder dir gefallen könnten. Das ist eine Buchbubble, wie ich sie mir wünsche. Austausch und gegenseitige Wertschätzung. Ein Dialog über das, was wir alle lieben.
Meine Haltung zu Bewertungen
Ich weiß, dass meine Geschichten nicht allen gefallen. Das sollen sie auch gar nicht. Das kann auch nicht der Anspruch sein. Wenn dir gerade der Sinn nach einem Krimi oder nach spicy Inhalten steht, dann sind meine Bücher einfach (aktuell) nichts für dich. Vielleicht irgendwann, aber nicht heute. Nicht jetzt.
Persönlich vergebe ich übrigens nur 4– und 5–Sterne–Bewertungen. Ich kann und will meinen Kolleg:innen nicht schaden, und ja, man kann hier vielleicht auch behaupten, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt. Mag sein. Und ja, natürlich wird ein Bewertungssystem so völlig verwässert. Wenn mir ein Buch nicht gefallen hat, bewerte ich es nicht. Dann schweige ich lieber.
Schreib mir doch gern deine Meinung zu dem Thema in die Kommentare.
Übrigens, falls du ein Rezensionsexemplar möchtest, kannst du dich gern bei mir melden.
Ganz herzliche Grüße








